Säure-Basen-Haushalt


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Der Säure-Basen-Haushalt ist ein empfindliches System im menschlichen Organismus, das durch diverse Regelmechanismen den pH-Wert im Blut konstant hält und Schwankungen durch so genannte Puffer ausgleicht.

Durch die Nahrungsaufnahme wird unser Körper immer wieder vor die wichtige Aufgabe gestellt, den Säure-Basen-Haushalt auszugleichen. So kann es nach dem Essen kurzfristig zu einer Schwankung im Säure-Basen-Haushalt kommen. Allerdings verfügt der menschliche Organismus über diverse Regulationsmechanismen. Dazu gehören chemische und physiologische Puffermechanismen, außerdem sind hier die Niere, die Leber und die Lunge als Regulationsorgane beteiligt. Dabei muss stets ein gewisses Milieu erhalten werden, um alle Lebensfunktionen gewährleisten zu können. Hier toleriert der Körper nur geringe Schwankungen. Ein optimaler pH-Wert liegt bei 7,4 und schwankt in der Regel nur in einem Bereich zwischen 7,35 und 7,45. Die Grenzen, die für die Lebensfunktionen gerade noch tolerabel sind, liegen mit einem pH-Wert von 7,0 und von 7,8 nur rund 50 nmol/l vom Normalwert entfernt. Diese Angaben zum pH-Wert beziehen sich auf den pH-Wert des Blutes. Andere Körperbestandteile können durchaus andere pH-Werte haben. Die Magensäure hat beispielsweise einen pH-Wert von 1 bis 1,5.

In der Regel ist der Körper in der Lage einen Überschuss an Säuren durch die diversen Puffersysteme auszugleichen. Bestimmte Krankheiten können den Säure-Basen-Haushalt jedoch aus dem Gleichgewicht bringen und eine Azidose (Übersäuerung) oder Alkalose (Untersäuerung) hervorrufen.


Puffersysteme und ihre Bedeutung

Viele Lebensprozesse sind von der Wasserstoffionen-Konzentration abhängig, deshalb muss der pH-Wert stets reguliert und konstant gehalten werden. Hier kommen die so genannten Puffersysteme zum Einsatz. Ein Puffer ist ein chemisches System, welches einen konstanten pH-Wert anstrebt, wenn geringe Mengen Säure oder Base zugefügt werden. Dabei besteht ein Puffersystem aus einer Base, die H+ -Ionen aufnehmen kann, und aus einer Säure, die H+ -Ionen abgeben kann.

Als bedeutsamster Puffer im Blut gilt der Bikarbonat-Kohlensäure-Puffer. Hier fungiert das Bikarbonat als Base und die Kohlensäure als Säure. Dabei wird die Konzentration an Bikarbonat über die Niere kontrolliert. Der Gehalt an Kohlensäure wird dagegen über die Lunge eingestellt. Die Kohlensäure ist in der Lage sich in Wasser und Kohlendioxid aufzuspalten. Das Wasser wird als Bestandteil des Körpers verwertet und das Kohlendioxid über die Lunge als Atemgas ausgeatmet. Das ist ein fortlaufender Prozess in der Lunge. So kann der Organismus durch schnelles Atmen beispielsweise mehr Kohlendioxid ausscheiden oder durch langsames Atmen Kohlendioxid im Körper zurückhalten. Aus diesem Grund ist Sport, der die Atmung verstärkt, so gesund und unterstützt einen ausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt. Deutlich langsamer funktioniert die Ausscheidung der überflüssigen Säure über die Nieren. Sollten Lunge oder Nieren durch eine Störung beeinträchtigt sein, kann das noch voll funktionstüchtige Organ bis zu einem gewissen Grad die Störung ausgleichen. Als offenes System ist der Bikarbonat-Kohlensäure-Puffer äußerst effektiv und kann flexibel auf ein Ungleichgewicht reagieren.

Die weniger bedeutsamen Blutpuffer werden wegen ihrer geringeren Bedeutung unter dem Begriff Nicht-Bikarbonat-Puffer zusammengefasst. Hierzu zählen das Hämoglobin, der Phosphatpuffer und der Plasmaproteinpuffer.

All diese Puffersysteme müssen sich regulieren, indem über Lunge und Nieren überschüssige Säuren ausgeschieden werden.


Ernährungsphysiologische Bedeutung des Säure-Basen-Haushalts

Es gibt natürlich auch für den Menschen Richtlinien und Empfehlungen für eine optimale Ernährung. So enthält die menschliche Ernährung vor allem Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette. Dabei wirken in erster Linie eiweißreiche, tierische Lebensmittel im Körper säurebildend. Zunächst einmal führt der Abbau der mit der Nahrung aufgenommenen schwefelhaltigen Aminosäuren zu einer vermehrten Säureproduktion und damit zu einem Anstieg der Säurebelastung für den Organismus. Hierbei entstehen Kohlendioxid und Harnstoff, was zu einer vermehrten Ausscheidung über die Nieren führt. Deshalb ist der ausgeschiedene Urin bei einer eiweißreichen Ernährung auch säurehaltiger. Allerdings lässt sich aufgrund des Säuregehalts im Urin nicht auf eine "Übersäuerung" des Körpers schließen. Die Nieren haben ihre Leistung ja erbracht und die überflüssigen Säuren aus dem Organismus befördert. So muss also die Aussage, dass ein säurehaltiger Urin Rückschlüsse auf einen ausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt zulässt, kritisch betrachtet werden. Die meisten Ärzte gehen davon aus, dass dieser hohe Säureanteil durch die im Körper vorhandenen Puffersysteme und hier vor allem über die Nieren abgebaut werden kann. Zumindest gilt das für junge, gesunde Menschen mit einem einwandfreien Stoffwechsel.


Einfluss der Ernährung auf den Säure-Basen-Haushalt

Vor allem die so genannte basische Ernährung, aber auch viele andere alternative Ernährungsformen beschäftigen sich mit dem Thema "Übersäuerung". Für viele Zivilisationskrankheiten werden die falsche Ernährung und die daraus resultierende "Übersäuerung" verantwortlich gemacht. So sollen durch eine eiweißhaltige, kohlenhydratreiche Ernährung Erkrankungen wie Migräne, Allergien oder Herz-Kreislauf-Krankheiten gefördert werden. Im Umkehrschluss gilt, dass eine basenreiche Kost zu einer Linderung oder gar Heilung all dieser gesundheitlichen Probleme führen soll. So nutzt vor allem die Naturheilkunde die Möglichkeit Erkrankungen mit Hilfe der richtigen Ernährung zu therapieren und rät zu einer basischen Ernährung, die überwiegend aus Rohkost wie Gemüse und Obst bestehen soll.

Tatsächlich ist es so, dass es durch eine stark eiweißhaltige Ernährungsform kurzzeitig zu einer höheren Säurekonzentration im Blut kommen kann. Als stark eiweißhaltig gelten vor allem tierische Produkte wie Fleisch, Eier und Milchprodukte. Allerdings kann ein gesunder Körper damit gut umgehen und die überschüssige Säure wird im Blut weitestgehend abgebaut und ausgeschieden.


Basische Lebensmittel

Wer sich für eine naturheilkundliche Sichtweise des Themas "Übersäuerung" entscheidet, wird unweigerlich auf die basische Ernährung stoßen. Die basische Ernährung besteht überwiegend aus basischen Lebensmitteln, die im Körper basenbildend wirken sollen. Säurebildende Lebensmittel sollten dagegen vermieden werden. Dabei werden die Lebensmittel nicht etwa nach ihrem sauren Geschmack in saure und basische Lebensmittel eingeteilt, sondern nach ihrer Wirkung im Organismus.

Zu den säurebildenden Lebensmitteln gehören neben Fleisch, Wurst, Fisch und Milchprodukten auch kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Brot und Nudeln.

Zu den basenbildenden Lebensmitteln gehören in erster Linie die meisten Obst und Gemüsesorten, aber auch Kräuter, Salate und Sprossen. Zwar handelt es sich bei dieser Ernährung nicht um eine Gewichtsreduktionsdiät, aber da ein Großteil der Nahrungsmittel pflanzlich und kalorienarm ist, ist eine Gewichtsabnahme zu erwarten. Dabei sollten die basischen Lebensmittel möglichst häufig roh gegessen werden. Einige Naturheilkundler empfehlen zusätzlich die Einnahme von Basenpulver. Ein Basenpulver besteht aus verschiedenen Mineralstoffen.


Störungen des Säure-Basen-Haushalts

Funktionieren die Puffersysteme des Blutes nicht mehr einwandfrei, so kann es zu Störungen des Säure-Basen-Haushalts kommen. Steigt der pH-Wert des Blutes über den physiologischen Normalwert, so spricht man von einer Azidose, auch Übersäuerung genannt. Im umgekehrten Fall von einer Alkalose. Am Gleichgewicht des Säure-Basen-Haushalts sind die Organe Lunge, Leber, Nieren und die Puffersysteme des Blutes beteiligt.

Von einer respiratorischen Azidose spricht man, wenn die Lunge aufgrund einer Erkrankung wie beispielsweise Asthma bronchiale den Gasaustausch nicht mehr gewährleisten und das Kohlendioxid nicht mehr abgeatmet werden kann. Zu einer respiratorischen Alkalose kommt es, wenn durch eine Hyperventilation vermehrt Kohlendioxid ausgeatmet wird. Hier ist die so genannte Höhenkrankheit ein gutes Beispiel.

Bei der nichtrespiratorischen Azidose ist nicht die Lunge betroffen, sondern das chemische Puffersystem im Blut. Die nichtrespiratorische Azidose entsteht häufig bei Erkrankungen wie Diabetes oder einer Niereninsuffizienz. Hier spricht man auch häufig von einer metabolischen Azidose. Selten kommt es zu einer nichtrespiratorischen Alkalose. Sie kann die Folge bei länger andauerndem Erbrechen sein.

Bis zu einem gewissen Grad können beide Puffersysteme eine Leistungsschwäche des anderen Mechanismus kompensieren und so das Säure-Basen-Gleichgewicht im Normalbereich halten.


Macht "Übersäuerung" krank?

In einigen alternativen Ernährungsformen geht man davon aus, dass die Ursache vieler Zivilisationskrankheiten in einer "Übersäuerung" des Körpers zu sehen ist. Hierfür wird vor allem ein hoher Anteil an Eiweiß in der Ernährung verantwortlich gemacht. Von Vertretern alternativer Ernährungsweisen wird häufig ein Verzicht auf Fleisch oder wenigstens eine Einschränkung des Verzehrs von tierischen Produkten gefordert. Durch eine überwiegend vegetarische Ernährung sollen sich Zivilisationskrankheiten wie Migräne, Allergien oder hoher Blutdruck deutlich bessern. Hier soll ein mehrtägiges Fasten zu einer Entschlackung und Entgiftung des Körpers führen.

Viele Schulmediziner gehen allerdings davon aus, dass die Puffersysteme eines gesunden Menschen effizient genug arbeiten, um einer Übersäuerung entgegen zu wirken. Eine Überbelastung der Nieren durch einen hohen Eiweißanteil in der Nahrung scheint nahezu unmöglich zu sein. Allerdings gilt diese Aussage mit Einschränkungen, denn kranke Menschen, die an einer Azidose oder Alkalose leiden, müssen umgehend behandelt werden. Auch die zugrunde liegende Krankheit muss erkannt und therapiert werden. Im Falle eines Nierenleidens oder einer Stoffwechselerkrankung muss dann häufig auf bestimmte Lebensmittel verzichtet und Diät gehalten werden. Um dennoch einen abwechslungsreichen und gesunden Speiseplan zu haben, wendet man sich am besten an die Ernährungsberatung oder ein Arzt.

Das Thema "Übersäuerung" ist nach wie vor umstritten und sorgt auch unter Medizinern für Diskussionsstoff. Hier liegen noch keine eindeutig wissenschaftlichen Ergebnisse vor, ob und inwiefern sich überschüssige Säuren im Gewebe ablagern können.



Quellen


  • Der Brockhaus Ernährung: Gesund essen - bewusst leben. Brockhaus, 2011 » Der Brockhaus Ernährung: Gesund essen - bewusst leben
  • Reinhard Matissek, Werner Baltes: Lebensmittelchemie. Springer Spektrum, 2015 » Lebensmittelchemie
  • Der große Larousse Gastronomique. Christian, 2012 » Der große Larousse Gastronomique
  • Hans-Joachim Rose: Die Küchenbibel: Enzyklopädie der Kulinaristik. Tre Torri Verlag, 2007 » Die Küchenbibel: Enzyklopädie der Kulinaristik
  • Prof. Dr. Waldemar Ternes, Alfred Täufel: Lebensmittel-Lexikon. Behr's Verlag, 2005 » Lebensmittel-Lexikon