Vegetarismus


Englisch: Vegetarianism
Französisch: Végétarisme
Italienisch: Vegetarianismo, Vegetarismo
Spanisch: Vegetarianismo


Inhaltsverzeichnis
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© Georg Tschannett / de

Beim Vegetarismus handelt es sich um eine alternative Ernährungsform, die bereits seit Jahrhunderten von Menschen praktiziert wird. Bei der vegetarischen Ernährung verzichtet man in erster Linie auf Fleisch und Fisch und die daraus hergestellten Produkte. Der Vegetarismus zählt u. a. auch zu den alternativen Ernährungsformen.


Die Geschichte des Vegetarismus

Der westliche Vegetarismus hat seine Wurzeln bereits im antiken Griechenland um 600 v. Chr. So entschloss sich die religiöse Gemeinschaft der Orphiker auf die damals üblichen Tieropfer zu verzichten, da sie an Seelenwanderung und Wiedergeburt glaubte. Auch der Philosoph Pythagoras (* 570 v. Chr.; nach † 510 v. Chr.) empfahl eine vegetarische Ernährung aus religiösen und ethisch-moralischen Gründen. So war er der Ansicht, dass jedes Lebewesen eine Seele habe und man daher auf den Konsum von Fleisch verzichten müsse.
In der östlichen Welt hat sich der Vegetarismus noch früher entwickelt. So hielten sich Anhänger des Vorläufers des Hinduismus bereits an eine vegetarische Ernährungsweise und wollten nichts Beseeltes essen. Im überwiegend hinduistischen Indien hat sich bis heute die vegetarische Ernährung gehalten. Einige Jahre später im 5. Jhd. v. Chr. vertrat der Philosoph und Arzt Empedokles (* 5. Jhd. v. Chr.; † um 434 v. Chr.) von Akragas ebenfalls die Ansicht, dass der Verzehr von Fleisch aus religiösen Gründen vermieden werden müsse. Die ausschlaggebenden Gründe für eine vegetarische Lebensweise waren zur damaligen Zeit ethisch-moralische und religiöse Ansichten. Eine vegetarische Lebensweise ist daher seit jeher verbunden mit den verschiedenen Religionen und einer ganz bestimmten Weltanschauung. In den meisten östlichen Religionen wie dem Buddhismus und dem Hinduismus werden alle Lebewesen geachtet und es darf ihnen kein Leid zugefügt werden. Man stellt sich als Mensch somit auf eine Stufe mit den Tieren und respektiert alles Leben. So ist auch zu verstehen, dass im mittelalterlichen, christlichen Europa nahezu keine Vegetarier gelebt haben.
Im Christentum ging man größtenteils davon aus, dass der Mensch sich die Tiere nach seinem Gutdünken zunutze machen dürfe. Es gab zwar einige christliche Randgruppen, die Askese betrieben und sich den Genuss von Fleisch versagten, aber der Großteil der Bevölkerung verzehrte Fleisch. Erst im 15. Jhd. als sich humanistisches und antikes Gedankengut verbanden, kam es zu einem Umdenken. So sprach sich beispielsweise Leonardo Da Vinci (* April 1452; †  Mai 1519) gegen den Verzehr von Tieren aus und lebte konsequent vegetarisch. Im 19. Jhd. tauchte der Vegetarismus vor allem in England und Nordamerika wieder auf. Der Rechtsanwalt Gustav von Struve gilt als Begründer des Vegetarismus in Deutschland. Er veröffentlichte im Jahr 1869 sein Buch "Pflanzenkost. Grundlage einer neuen Weltanschauung." und legte somit einen wichtigen Grundstein für die vegetarische Bewegung in Deutschland. Im 19. Jhd. begangen sich die Vegetarier in Vereinen zu organisieren und wollten ihre Weltanschauung auch gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Neben den ethisch-moralischen und religiösen Beweggründen, traten nun auch die gesundheitlichen Aspekte und politische sowie ökologische Überlegungen in den Vordergrund. Im 20. Jhd. sprachen sich vor allem Albert Schweitzer und Mahatma Gandhi für eine vegetarische Lebensweise aus.


Formen des Vegetarismus

Über die Jahre hinweg haben sich verschiedene Formen des Vegetarismus entwickelt. Ihnen allen gemeinsam ist der Verzicht auf Fleisch und Fisch, allerdings verzichten einige Vegetarier bzw. Veganer auch auf Produkte lebender Tiere wie Milch, Honig und Eier und ernähren sich nur von pflanzlicher Kost. Im folgenden Text werden die einzelnen Formen näher beschrieben.


Die ovo-lakto-vegetabile Ernährung

In Fachkreisen geht man davon aus, dass die ovo-lakto-vegetabile Ernährung die am weitesten verbreitete Form der vegetarischen Ernährung ist. Ovo-Lakto-Vegetarier verzichten auf Fleisch, Wurstwaren, Fisch und Meeresfrüchte, nicht aber auf Produkte lebender Tiere. Das heißt, neben pflanzlicher Kost stehen auch Milch, Milchprodukte, Eier und Honig auf dem Speiseplan. Mit dieser vegetarischen Ernährungsform ist eine ausgewogene Ernährung recht leicht zu realisieren. Mangelerscheinungen sind bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl kaum zu befürchten und es lassen sich schmackhafte Gerichte für die ganze Familie zubereiten. Diese Ernährungsform gleicht in vielerlei Hinsicht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, kurz DGE. Da die ovo-lakto-vegetabile Ernährung so ausgewogen ist, wird sie auch gelegentlich für Kinder, Schwangere und stillende Mütter empfohlen. Achten sollte man allerdings auf eine ausreichende Aufnahme an Mineralstoffen wie Eisen, Zink und Jod.


Die lakto-vegetabile Ernährung

Die lakto-vegetabile Ernährung ist der ovo-lakto-vegetabilen Ernährung sehr ähnlich. Lakto-Vegetarier nehmen allerdings neben tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Fisch auch keine Eier zu sich. Dabei geben Lakto-Vegetarier an auf Eier zu verzichten, weil diese nur eine Vorstufe der Küken und so ebenfalls zum Fleisch zu zählen seien. Milch, Milchprodukte und Honig werden dagegen von Lakto-Vegetariern gegessen. Einige Lakto-Vegetarier verzichten aus gesundheitlichen Gründen auf Eier. Die lakto-vegetabile Ernährung soll sich beispielsweise besonders positiv bei einer Rheumaerkrankung auswirken. Auch diese Ernährungsform kann als ausgewogen bezeichnet werden und es sind kaum Mangelerscheinungen zu erwarten. Wer Mangelerscheinungen vorbeugen möchte, sollte auf eine ausreichende Zufuhr an Eisen, Zink und Jod achten. Diese Mineralstoffe sind auch in pflanzlicher Kost zu finden, können aber auch über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden.


Die piskovegetabile Ernährung

Die piskovegetabile Ernährung wird in den einschlägigen Fachkreisen nicht als vegetarische Ernährungsweise anerkannt. Verstößt die piskovegetabile Ernährung doch gegen eines der Grundprinzipien des Vegetarismus und erlaubt teilweise den Verzehr von Tieren. In der piskovegetabilen Ernährung werden zusätzlich zu Milch, Milchprodukten, Eiern und Honig auch noch Fisch und Meeresfrüchte gegessen. Pisko-Vegetarier geben dafür überwiegend gesundheitliche Gründe an. So befinden sich in fettem Fisch wie Lachs die lebenswichtigen Omega-3-Fettsäuren. Omega-3-Fettsäuren können vom Körper nicht selbst gebildet werden und müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Allerdings enthalten auch pflanzliche Öle wie Leinöl und Rapsöl die ungesättigten Fettsäuren. Pisko-Vegetarier werden häufig auch als Pseudo-Vegetarier bezeichnet.


Teil- und Halb-Vegetarier

Teil- oder Halb-Vegetarier werden von Vegetariern in der Regel ebenfalls zu den Pseudo-Vegetariern gezählt. Bei dieser Ernährungsweise ernährt man sich zwar überwiegend fleischlos, greift aber doch hin und wieder zu Fleisch und Fisch. Man bezeichnet Halb- oder Teil-Vegetarier auch als Gelegenheits-Mischköstler. Auch bei den Halb-Vegetariern haben sich zum Teil unterschiedliche Gruppierungen gebildet. So vertreten einige Halb-Vegetarier die Ansicht, dass man nur auf rotes Fleisch verzichten müsse, Geflügel und Fisch jedoch erlaubt seien. Diese Ernährungsformen mit seltenem Fleischverzehr kommt den Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sehr nahe. Mangelerscheinungen kommen in der Regel nicht vor.


Gemäßigte Vegetarier

Gemäßigte Vegetarier ernähren sich im Grunde genauso wie die Teil- oder Halb-Vegetarier. Diese Kostform ist durch den hohen Anteil an pflanzlicher Kost zwar gesundheitlich wertvoll, kann jedoch nicht als reine vegetarische Ernährungsform bezeichnet werden. Auch hier kommt gelegentlich Fleisch oder Fisch auf den Tisch. Hier gibt es - wie bei den Halb- oder Teil-Vegetariern auch - unterschiedliche Gruppierungen, die den Verzehr von bestimmten Fleischsorten aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen ablehnen oder einschränken.


Strenge Vegetarier

Strenge Vegetarier werden häufig auch als Veganer bezeichnet. Die Vegane Ernährung hat sich aus dem Vegetarismus heraus entwickelt. Dabei verzichten strenge Vegetarier nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern lehnen auch tierische Produkte, die von lebenden Tieren stammen, ab. Das heißt, es wird zusätzlich auf Milch, Milchprodukte, Eier und Honig verzichtet. Außerdem gehen strenge Vegetarier noch einen Schritt weiter und vermeiden das Tragen von Leder oder Wolle. Ihrer Ansicht nach werden Tiere zur Gewinnung von Lebensmitteln wie Milch oder Werkstoffen wie Leder ebenfalls ausgebeutet. Veganer leben die vegetarische Weltanschauung konsequent. Strenge Vegetarier können bis auf Vitamin B12 auch durch rein pflanzliche Nahrung alle Nährstoffe bekommen, die sie brauchen. Sie müssen jedoch auf eine sorgfältige Lebensmittelauswahl achten. Die Vitamin B12 Versorgung können Veganer über speziell angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel sicher stellen.


Sonderformen des Vegetarismus

Neben den allgemein bekannten Formen der vegetarischen Ernährung haben sich noch weitere Begriffe für besondere Formen des Vegetarismus etabliert.

Pudding-Vegetarier

Bei den Pudding-Vegetariern handelt es sich um Vegetarier, die zwar fleischlos leben, jedoch nicht die sonstigen Ernährungsregeln der vegetarischen Ernährung praktizieren. So ernähren sich Pudding-Vegetarier überwiegend von Fertigprodukten und Süßigkeiten. Bei dieser Ernährungsform ist zwar der ethische Aspekt des Vegetarismus verwirklicht, jedoch kommen die ansonsten positiven gesundheitlichen Aspekte der vegetarischen Ernährung hier nicht zum Tragen. Pudding-Vegetarier zeigen einmal mehr, dass es mit bloßem Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte nicht getan ist, sondern dass man auch auf sich selbst und seine Ernährung achten muss, um gesund zu bleiben. Pudding-Vegetarier können aufgrund ihrer einseitigen Ernährung eher mit Mangelerscheinungen zu kämpfen haben als andere Vegetarier.

Fructaner, Frugivoren

Bei den Fructanern handelt es sich um vegan lebende Menschen. In erster Linie ernähren sie sich wie die Veganer von rein pflanzlicher Kost. Allerdings betrachten Fructaner Pflanzen ebenso wie Tiere als Teil der lebendigen Natur und verzehren daher nur die Früchte von Pflanzen. Das heißt, es werden nur die Teile einer Pflanze verzehrt, die nicht die Zerstörung der Stammpflanze zur Folge haben. Dazu gehören klassischerweise so genanntes Fallobst, Samen und Nüsse, aber auch teilweise die Früchte von Gemüsepflanzen wie Tomaten oder Auberginen. Fructaner werden demnach auch als Frugivoren oder Früchteesser bezeichnet. Zumeist erhitzen Fructaner ihre Nahrung nicht, sondern verzehren die Früchte roh. Mediziner empfehlen Anhängern dieser Ernährungsform häufig zusätzlich die Einnahme von Vitamin B12.

Der Vegetarismus hat nichts mit einer Diät zu tun, auch wenn zuweilen gesundheitliche Motive hinter dem Entschluss für eine vegetarische Ernährung stecken. Wer sich für die vegetarische Ernährung entscheidet, hat dafür zumeist mehrere Beweggründe. Neben den religiösen, ethischen und moralischen Motiven, können das gesundheitliche Vorteile oder auch ökologische und ökonomische Überlegungen sein. Der Vegetarismus hat sich wie der Veganismus zu einer Weltanschauung entwickelt und ist heute aktueller denn je. Wer seine Ernährung auf eine rein vegetarische Kost umstellen möchte, der kann sich mittels Fachliteratur und den Informationen im Internet optimal auf diesen Schritt vorbereiten.



Quellen


  • Der Brockhaus Ernährung: Gesund essen - bewusst leben. Brockhaus, 2011 » Der Brockhaus Ernährung: Gesund essen - bewusst leben
  • Reinhard Matissek, Werner Baltes: Lebensmittelchemie. Springer Spektrum, 2015 » Lebensmittelchemie
  • Der große Larousse Gastronomique. Christian, 2012 » Der große Larousse Gastronomique
  • Hans-Joachim Rose: Die Küchenbibel: Enzyklopädie der Kulinaristik. Tre Torri Verlag, 2007 » Die Küchenbibel: Enzyklopädie der Kulinaristik
  • Prof. Dr. Waldemar Ternes, Alfred Täufel: Lebensmittel-Lexikon. Behr's Verlag, 2005 » Lebensmittel-Lexikon