Radioaktivität in Lebensmitteln


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© Inga Nielsen / fotolia.com

Ein akutes Problem stellt Radioaktivität in Lebensmitteln in Mitteleuropa nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht dar. Andererseits sind mögliche langfristige Auswirkungen geringer Radioaktivitätsdosen, die zusätzlich zur natürlichen Strahlenbelastung auftreten, nicht vollständig und nicht sicher bekannt.

Mehr Hintergründe und aktuelle Infos zu Radioaktivität in Lebensmitteln aus Japan.


Umgang mit Lebensmitteln

Lebensmittel aus Mitteleuropa sind in aller Regel gar nicht oder so gering radioaktiv belastet, dass sie keinen Anlass zur Besorgnis bieten. Eine Ausnahme hiervon sind manche Pilze und Wildfleisch aus einigen Regionen wie beispielsweise aus der Ukraine oder Weißrussland. Aber auch hier geht es nur um ein vermutlich geringes, aber schlecht abzuschätzendes Risiko. Die von Natur aus vorgegebenen Äquivalentdosisleistungen schwanken innerhalb Europas um mehr als 50 %, sie werden dann durch Lebensmittelbeiträge in der Größenordnung von wenigen Prozenten erhöht. Für solche geringen Zusatz-Einflüsse liegen keine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse vor.

Eine andere Bewertung ist angemessen bei Lebensmitteln aus stärker von den Tschernobyl-Folgen betroffenen Gebieten wie Teile der Ukraine, Weißrusslands, Russlands und Teile Polens. Andererseits ist bei weitem nicht jedes Lebensmittel aus diesen Gebieten belastet.


Behandlung von Lebensmitteln mit Strahlung

Die Tatsache, dass die Strahlung von radioaktiven Stoffen bei sehr hohen (Äquivalent-) Dosisleistungen Lebewesen tötet, macht sich auch die Lebensmittelindustrie zunutze. In vielen Ländern, auch innerhalb der EU, ist es zulässig, Lebensmittel, die leicht von Parasiten oder Mikro-Organismen befallen werden, starker Strahlung auszusetzen. Dabei gerät kein radioaktives Material in die Lebensmittel, ebenso ist es nicht möglich, dass Strahlung in irgendeiner Weise darin gespeichert wird. Der eigentliche Zweck der Bestrahlung wird sicher erreicht: Keimfreiheit und kein Befall mit lebenden Parasiten. Leider erreicht man trotzdem etwas mehr als wünschenswert ist. Die sonstigen Folgen intensiver Bestrahlung sind Gegenstand aktueller fachlicher Diskussion. So können beispielsweise die großen Moleküle organischer Verbindungen zerstört werden, die Bruchstücke stellen Bestandteile anderer chemischer Verbindungen dar, die wir mehr oder weniger gut vertragen können. Das könnte die Verträglichkeit, den Nähr- und den Genusswert beeinflussen.


Was ist Radioaktivität?

Es gibt Stoffe, deren Atome zerfallen können. Sie werden als radioaktive Stoffe bezeichnet. Einige von ihnen kommen in der Natur vor, andere können künstlich erzeugt werden. Die Atome zerfallen dabei nicht alle gleichzeitig, sondern einzeln und spontan. Allerdings zerfällt in einem Zeitintervall immer ein bestimmter Anteil des vorhandenen Stoffes, zum Beispiel 10 % oder auch die Hälfte. Die Zeit, in der die Hälfte des Stoffes zerfällt, nennt man seine Halbwertszeit. Bei den Zerfallsvorgängen entstehen andere, kleinere Atome, die dann einen anderen Stoff darstellen. Außerdem werden verschiedene Strahlungen abgegeben, auf deren Art wir hier nicht näher eingehen können. Es geht um Alpha-, Beta-, Gamma-, Neutronen- und andere Strahlungen. Jede dieser Strahlungsarten kann in lebenden Organismen Schäden anrichten.

Es gibt für alle Strahlungsarten Mess- oder Nachweisgeräte. Die bekanntesten sind die so genannten Geigerzähler, die Zählvorgänge mit einem typischen Knacken oder Piepen deutlich machen und mit elektronischen Zählgeräten kombiniert Messungen ermöglichen.


Messgrößen für Radioaktivität

Wie aktiv ein radioaktiver Stoff ist, kann man dadurch beschreiben, wie viele Zerfallsprozesse pro Sekunde in ihm, besser in einem Kilogramm oder einem Liter o.ä. stattfinden. Die Messgröße ist also die Aktivität, die Einheit ist 1 Bequerel (1 Bq), d.h. ein Zerfallsprozess pro Sekunde. Entsprechend ist zu verstehen 1 Bq pro Liter usw.

Die beim Zerfall freiwerdende Strahlung kann auf einen menschlichen Körper auftreffen, dann kann sie auch Schaden anrichten. Ein erstes Maß dafür ist die Dosis. Sie wird gemessen in der Einheit 1 Gray. Das entspricht einer Energie von einem Joule pro Kilogramm Körpermasse. Das klingt zunächst harmlos. Auch wenn man in der Sauna seinen Körper um einige Grad erwärmt, führt man ihm einige Joule pro Kilo zu. Die umgesetzte Energie führt im Falle der Radioaktivität allerdings nicht nur zu Erwärmung, sondern es werden zum Beispiel größere Moleküle von körpereigenen Stoffen aufgespalten, es entstehen zwei oder mehr kleinere Moleküle von anderen Stoffen, die im Körper schädlich sein können, Es werden Lebensvorgänge in Zellen gestört oder beendet.

Wie oben bereits erwähnt, gibt es mehrere Sorten von Strahlung aus radioaktiven Stoffen. Die Alphastrahlung wird durch einen kurzen Luftweg, durch ein Blatt Papier und jedes noch so kleine Hindernis aufgehalten. Das ist positiv, wenn es um die Abschirmung geht. Es ist gleichzeitig gefährlich: Kommt eine kleine Menge eines Stoffes, der Alphastrahlung abgibt, auf oder gar in den Körper, so wird die gesamte Energie in der unmittelbaren Umgebung abgegeben, da diese Strahlung ja nicht weit reicht. Für Körperzellen in dieser Umgebung ist das schlimmer, als wenn die Strahlung ihre Energie auf einem längeren Weg abgibt, wie das bei Beta- und Gammastrahlung der Fall ist. In diesem Sinne ist Alphastrahlung bei sonst gleichen Voraussetzungen, also bei gleicher Dosis, für den Körper gefährlicher. Um das zu berücksichtigen, hat man eine weitere Größe eingeführt, die Äquivalentdosis.

Sie wird in der Einheit 1 Sievert gemessen. Das entspricht einem Gray multipliziert mit einem Faktor, der die Art der Strahlung berücksichtigt. Der Faktor ist 1 für Beta- und Gammastrahlung, 20 für Alphastrahlung.

Schließlich hat man herausgefunden, dass es eine wichtige Rolle spielt, ob in kurzer Zeit eine hohe Äquivalentdosis aufgenommen wird oder ob dabei mehr Zeit vergeht. Die entsprechende Größe ist die Äquivalentdosisleistung. Gemessen wird sie in Einheiten wie 1 Sievert pro Sekunde oder 1 Millisievert pro Jahr, allgemein eine Äquivalentdosis pro Zeiteinheit.


Natürliche und zivilisatorisch bedingte Radioaktivität

In Deutschland ist die Bevölkerung von Natur aus einer Äquivalentdosisleistung von 2 bis 4 Millisievert pro Jahr ausgesetzt. Dazu trägt der Mineralgehalt des Bodens bei, ebenso Stoffe, die aus dem Boden austreten wie das Gas Radon, das sich in schlecht gelüfteten Häusern auch sammeln kann. Im Boden ist vor allem auch Kalium zu nennen, das als Mineral vorhanden ist oder mit Kali-Dünger zugeführt wird. Es enthält stets einen gewissen Anteil von radioaktivem Kalium40. Es wird als harmlos angesehen und sogar in Diätsalz gegessen. Diese Komponenten können je nach geografischer Lage deutlich variieren. Der Mensch selbst trägt radioaktives Material mit sich, das er im Laufe seines Lebens im Körper angesammelt hat. Aus dem Weltraum kommt kosmische Strahlung zu uns. Diese Bedingungen bestehen so oder ähnlich schon seit es Menschen gibt. Wären dies grundsätzlich lebensfeindliche Bedingungen, hätten der Mensch und viele Tiere nicht bis heute überlebt. Man kann nicht umgekehrt schließen, dass die Strahlungen unschädlich sind. Es kann nur geschlossen werden, dass genug Nachkommenschaft vorhanden ist, den Bestand von Lebewesen zu sichern. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass es im Körper Reparatur-Mechanismen gibt, die manche Defekte neutralisieren.

Das Leben in festen Häusern bringt über die Baustoffe weitere Radioaktivität mit sich. Auch medizinische Verfahren bringen Strahlenbelastungen, bei denen jeweils abgewogen werden muss, ob der Nutzen eventuelle Risiken aufwiegt. In diese Überlegungen gehören auch Röntgenstrahlen, die sich weitgehend gleich auswirken wie die Strahlung aus radioaktiven Stoffen. Geringere Röntgenstrahlung entsteht auch beim Betrieb von Fernsehgeräten und Computerbildschirmen soweit sie noch nicht mit Flachbildschirmen ausgestattet sind.

Soweit die Normalität. Kommen wir nun zu den menschlichen Beiträgen, absichtlich oder im Rahmen von Unfällen. Tabakwaren sind bekanntlich keine Lebensmittel. Mit den Pflanzenbestandteilen die verbrannt werden, nimmt man unvermeidlich Polonium und radioaktive Bleinuklide auf, die als Alphastrahler radioaktive Partikel auf der Oberfläche z.B. von Lungenteilen hinterlassen. Die Äquivalentdosisleistung allein aus dieser Quelle wird für starke Raucher mit einem Millisievert pro Jahr geschätzt. Sie ist damit ein Viertel bis eine Hälfte der natürlich vorgegebenen Dosisleistung. Es ist einem möglichen Lungenkrebs später nicht anzumerken, ob er durch die Strahlungskomponente oder durch chemische Einflüsse allein hervorgerufen wurde.

Glücklicherweise schon Geschichte sind oberirdische Kernwaffenversuche, die die USA und die damalige Sowjetunion (in kleinem Umfang auch Frankreich) bis etwa 1962 durchführten, sowie die bisher einzigen Atomwaffeneinsätze 1945 in Japan.

1986 kam es zum bisher folgenschwersten Reaktorunfall von Tschernobyl in der Ukraine. In den Tagen danach gab es in weiten Teilen Mitteleuropas und Skandinaviens Niederschläge, mit denen radioaktive Stoffe auf den Boden gelangten. Zwei Komponenten sind für die Bewertung von Lebensmitteln von Bedeutung gewesen. Iod 131 und Cäsium 137. Iod wird mit dem Futter von Milchvieh aufgenommen, landet in der Milch und dann bevorzugt in der Schilddrüse. Dieses Risiko bestand in mindestens gleichem Maße schon bei den oberirdischen Kernwaffenversuchen. Glücklicherweise hat Iod 131 eine Halbwertszeit von wenigen Tagen, nach jetzt mehr als zwanzig Jahren ist hier keine Gefahr mehr zu erwarten. Anders bei Cäsium 137. Die Halbwertszeit beträgt mehr als 30 Jahre, zurzeit ist also mehr als die Hälfte des ursprünglich eingebrachten Materials noch vorhanden. Ein wenn auch geringes Risiko im Bereich der Lebensmittel kann bestehen, wenn Pflanzen verzehrt werden, die in ihrem Stoffwechsel bestimmte Elemente sammeln oder wenn der Mensch Tiere verzehrt, die sich von solchen Pflanzen eventuell einseitig ernähren.

Eine Abschätzung der zusätzlichen Äquivalentdosisleistung durch Tschernobyl-Folgen gilt als sehr schwierig. Eine grobe Abschätzung geht aus von etwa 1 Millisievert für die Dauer von etwa 30 Jahren nach dem Unfall. Im Vergleich mit der natürlichen und zivilisatorischen Belastung geht es also um eine Erhöhung um wenige Prozent.



Quellen


  • Der Brockhaus Ernährung: Gesund essen - bewusst leben. Brockhaus, 2011 » Der Brockhaus Ernährung: Gesund essen - bewusst leben
  • Reinhard Matissek, Werner Baltes: Lebensmittelchemie. Springer Spektrum, 2015 » Lebensmittelchemie
  • Der große Larousse Gastronomique. Christian, 2012 » Der große Larousse Gastronomique
  • Hans-Joachim Rose: Die Küchenbibel: Enzyklopädie der Kulinaristik. Tre Torri Verlag, 2007 » Die Küchenbibel: Enzyklopädie der Kulinaristik
  • Prof. Dr. Waldemar Ternes, Alfred Täufel: Lebensmittel-Lexikon. Behr's Verlag, 2005 » Lebensmittel-Lexikon